Der Lößnitzer Hungerstein wurde Ende des 18. Jahrhunderts von einem unbekannten Lößnitzer Steinmetz entworfen und gebaut. Er besteht aus hartem Dittersdorfer Schiefer und ist 2 m hoch und ca. 0,5 m breit. Er trägt folgende Inschrift
Mit Gott
Lies Michael Landgraf
sich erwekken
da wo sonstens Dornen und Hecken
einen Garten anzulegen,
hoffend auf des Höchsten Segen.
Mancher fand allhier sein Brot
in der Theurung großen Noth.
Ao.: 1762 zu Ende des 6-jährigen
Krieges ist ein Lößnitzer
Scheffel Korn auf 32 rl
gekommen. Da ist dieses
Garten-Hauß erbauet und die obere
Mauer aufgeführet worden.
Ao.: 1771 war eine große
Waßerfluth in ganz Europa
und auch hier, ist dadurch
ein Hauß und 2 Scheunen weggerissen.
In diesem Jahr galt ´der Scheffel
20 rl. welcher Preiß 1772 auf
25rl. stieg, bis zu der
Erntezeit es wieder 15 rl.
wohlfeiler wurde.
Ao.: 1772 sind 600 Menschen
In hiesiger Kirchfahrt
größtenteils am Hunger
verstorben, auch hat das
faule Fieber viele aufgerieben.
Gott lasse uns und unsere
Nachkommen diese Plagen
nicht wieder erfahren !
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In den Jahren 1771/1772 war es infolge extremer Witterungsunbilden im Erzgebirge zu Mißernten und somit zu einer großen Hungersnot gekommen. Allein in Lößnitz erlitten 600 Menschen den Hungertod. In dieser Zeit bewies der wohlhabende Lößnitzer Kaufmann Michael Landgraf sein großes Herz für arme und hilfebedürftige Menschen. Er lies in einem unwegsamen, von Dornenhecken und Disteln überwucherten Gelände oberhalb der heutigen oberen Bahnhofstraße einen großen Obstgarten mit mehreren Mauerbauwerken und einem Gartenhaus anlegen. Dafür benötigte er zahlreiche Arbeitskräfte, die bei ihm Lohn und Brot fanden. Durch diese "Arbeitsbeschaffung" bewahrte er viele Lößnitzer Bürger vor dem sicheren Hungertod. In großer Dankbarkeit haben später Lößnitzer Bürger den Hungerstein errichtet, dem großen Sohn und Wohltäter der Stadt Lößnitz, Michael Landgraf, gedenkend.
Das Denkmal wurde Ende des 18. Jh. (ein genaues Datum liegt nicht vor) eingeweiht. Es befand sich ursprünglich im so genannten "Neitzsch - Garten" im Zentrum der Stadt (oberhalb des heutigen Schleckermarktes) und wurde später im Eingangsbereich des Lößnitzer Rathauses angebracht, wo es über viele Jahre von den Besuchern des Rathauses bewundert werden konnte. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde in den 1950-er Jahre der Hungerstein entfernt und nach kurzem Aufenthalt im Bereich des damals noch existierenden Stadtmuseums an einen bis heute unbekannten Ort verbracht. Wahrscheinlich passten die in der Inschrift ersichtliche Bezogenheit zu Gott sowie die Tatsache,. dass ein Vertreter des Bürgertums sich als Beschützer und Wohltäter der armen Leute erwies, nicht in das sozialistische Weltbild.
Nach der Wende ließ die Stadt Lößnitz, sich ihrer geschichtlichen Tradition verpflichtet, eine Nachfertigung des Hungersteines herstellen. Der "neue" Hungerstein wird in Kürze an geeigneter Stelle aufgestellt.
Gerne nehmen wir Hinweise zum Verbleib des "Lößnitzer Hungersteins" entgegen.
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